Asset Stripping

Asset Stripping – zu Deutsch etwa “Vermögensentzug” – bezeichnet eine Unternehmensstrategie, bei der ein Investor eine Firma kauft, um sie anschließend in ihre Einzelteile zu zerlegen und diese gewinnbringend zu verkaufen. Im Kern geht es darum, ein unterbewertetes Unternehmen zu erwerben, dessen Vermögenswerte mehr wert sind als die Firma als Ganzes. Es ist wie beim Autokauf: Manchmal bringt es mehr Geld, einen Gebrauchtwagen in Einzelteilen zu verkaufen als komplett.

Die typische Vorgehensweise

Das Drehbuch für Asset Stripping folgt meist einem bestimmten Muster: Zunächst identifiziert ein Investor – oft eine Private-Equity-Gesellschaft oder ein aktivistischer Hedgefonds – ein Unternehmen, dessen Börsenwert unter dem tatsächlichen Wert seiner Vermögenswerte liegt. Diese Diskrepanz entsteht häufig bei Konglomeraten mit vielen unterschiedlichen Geschäftsbereichen oder bei Unternehmen mit wertvollen Immobilien.

Nach der Übernahme beginnt die eigentliche “Zerlegung”. Einzelne Geschäftsbereiche werden an strategische Käufer verkauft, die dafür mehr zahlen als der entsprechende Anteil am Gesamtunternehmen wert war. Immobilien werden veräußert und zurückgemietet. Patente und Markenrechte landen in separaten Gesellschaften. Was übrig bleibt, ist oft nur noch ein Rumpfunternehmen – oder gar nichts mehr.

Die Finanzierung solcher Übernahmen erfolgt häufig über Fremdkapital. Der Investor nimmt Kredite auf und besichert diese mit den Vermögenswerten des Zielunternehmens – eine Technik, die als “Leveraged Buyout” bekannt ist. Die Schulden werden später durch den Verkauf der Assets bedient.

Historische Entwicklung

Asset Stripping ist kein neues Phänomen. Seine Blütezeit erlebte es in den 1970er und 1980er Jahren, besonders in Großbritannien und den USA. Namen wie James Hanson und Gordon White in England oder Carl Icahn und T. Boone Pickens in Amerika wurden zu Symbolfiguren dieser Ära. Sie wurden bewundert und gefürchtet – je nach Perspektive.

Die Welle der feindlichen Übernahmen in den 1980ern brachte den Begriff “Corporate Raider” (Unternehmensräuber) hervor. Filmfiguren wie Gordon Gekko in “Wall Street” mit seinem Motto “Greed is good” prägen bis heute das Bild des skrupellosen Finanzinvestors.

In den 1990er Jahren wurden Abwehrmaßnahmen gegen unerwünschte Übernahmen ausgefeilter. “Poison Pills” (Giftpillen) und andere Schutzklauseln erschwerten das Asset Stripping. Gleichzeitig wandelte sich das Image von Private-Equity-Firmen: Statt als reine “Zerleger” traten sie zunehmend als “Umgestalter” auf, die Unternehmen umstrukturieren und effizienter machen wollten.

Vor- und Nachteile

Befürworter des Asset Strippings argumentieren mit wirtschaftlicher Effizienz. Vermögenswerte, so ihre Logik, sollten dorthin fließen, wo sie am produktivsten eingesetzt werden können. Wenn ein Unternehmen seine Assets nicht optimal nutzt, ist eine Umverteilung sinnvoll. Sie sehen sich als Katalysatoren für notwendige Veränderungen in verkrusteten Strukturen.

Die Kritiker hingegen betonen die sozialen Kosten:

Besonders umstritten ist die Praxis, das Zielunternehmen mit den Schulden zu belasten, die für seine eigene Übernahme aufgenommen wurden. Diese Schuldenlast kann langfristig die Investitionsfähigkeit beeinträchtigen und im schlimmsten Fall zur Insolvenz führen.

Rechtliche Aspekte

Die Gesetzeslage zum Asset Stripping unterscheidet sich von Land zu Land. In Deutschland bieten das Umwandlungsrecht und das Aktienrecht einige Schutzmechanismen für Unternehmen und Minderheitsaktionäre. Das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer erschwert zudem radikale Umstrukturierungen.

In Großbritannien wurden nach den Exzessen der 1980er Jahre strengere Übernahmeregeln eingeführt. Der “City Code on Takeovers and Mergers” soll für faire Bedingungen sorgen und die Interessen aller Stakeholder berücksichtigen.

Auf EU-Ebene gibt es seit 2011 spezielle Vorschriften für Alternative Investment Fonds (AIFM-Richtlinie), die unter anderem das Asset Stripping einschränken sollen. Sie verbieten beispielsweise, innerhalb der ersten 24 Monate nach der Übernahme Vermögenswerte zu entziehen, wenn dies die finanzielle Stabilität des Unternehmens gefährdet.

Asset Stripping heute

Die Hochzeit des klassischen Asset Strippings mag vorbei sein, aber die Grundidee lebt weiter. Aktivistische Investoren wie Bill Ackman oder Dan Loeb drängen Unternehmen regelmäßig zu Aufspaltungen und Verkäufen von Unternehmensteilen. Der Unterschied: Statt selbst zu kaufen und zu zerlegen, üben sie als Minderheitsaktionäre Druck auf das Management aus.

Auch strategische Käufer praktizieren mitunter eine mildere Form des Asset Strippings, indem sie nach einer Übernahme unerwünschte Geschäftsbereiche abstoßen. Der Fokus liegt hier aber eher auf industrieller Logik als auf schnellem Gewinn.

In Zeiten niedriger Zinsen und hoher Liquidität besteht durchaus die Gefahr einer Wiederkehr aggressiverer Formen. Wertvolle Unternehmenssubstanz kann schnell zum Spielball finanzstarker Investoren werden – besonders wenn traditionelle Geschäftsmodelle durch Digitalisierung und andere Umbrüche unter Druck geraten.