Börsengang

Ein Börsengang, im Fachjargon auch Initial Public Offering (IPO) genannt, markiert den Schritt eines Unternehmens von der privaten in die öffentliche Sphäre. Das Unternehmen bietet erstmals Aktien zum Kauf an und wird damit Teil des Aktienmarktes. Für viele Gründer und Investoren gilt der Gang an die Börse als Krönung ihrer Arbeit – quasi der Oscar der Unternehmenswelt. Er bringt frisches Kapital, Prestige und Aufmerksamkeit, bedeutet aber auch höhere Transparenzpflichten und einen kritischen Blick der Öffentlichkeit auf jede Unternehmensentscheidung.

Der Weg zum Börsengang

Der Weg an die Börse gleicht einem Marathon, nicht einem Sprint. Meist beginnt er mit einer strategischen Entscheidung der Eigentümer oder des Managements, die nächste Wachstumsphase über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Dann folgt die Vorbereitung – und die hat es in sich.

Zunächst muss das Unternehmen börsenreif gemacht werden. Die Rechtsform wird meist in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, falls sie es nicht schon ist. Die Rechnungslegung wird an internationale Standards angepasst. Corporate-Governance-Strukturen müssen etabliert oder überarbeitet werden. All diese Schritte können leicht ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen.

Parallel dazu werden Investmentbanken als Begleiter für den Börsengang ausgewählt. Sie helfen bei der Bewertung des Unternehmens, organisieren Roadshows für potenzielle Investoren und übernehmen die Platzierung der Aktien. Für diese Dienste kassieren sie ordentliche Gebühren – zwischen drei und sieben Prozent des eingesammelten Kapitals sind üblich.

Kurz vor dem eigentlichen Börsengang steht die intensive Prüfung durch Wirtschaftsprüfer, Anwälte und Finanzexperten, die sogenannte Due Diligence. Sie soll sicherstellen, dass im Börsenprospekt – dem offiziellen Dokument für den Börsengang – keine falschen Angaben gemacht werden.

Vorteile und Nachteile des Börsengangs

Ein Börsengang bringt einige handfeste Vorteile mit sich:

Auf der anderen Seite stehen einige Nachteile, die nicht unterschätzt werden sollten:

Die Kosten eines Börsengangs sind erheblich – Millionenbeträge für Anwälte, Banken und Berater fallen an. Hinzu kommt der laufende Aufwand für die Erfüllung der Berichtspflichten. Viele Unternehmen müssen nach dem Börsengang eigene Investor-Relations-Abteilungen aufbauen.

Die erhöhte Transparenz bedeutet auch, dass Geschäftszahlen, Vorstandsgehälter und strategische Entscheidungen öffentlich werden. Nicht jedem Unternehmer behagt diese neue Offenheit.

Nicht zuletzt bringt die vierteljährliche Berichterstattung oft einen Fokus auf kurzfristige Ergebnisse mit sich. Der Druck, ständig die Erwartungen der Analysten zu erfüllen, kann langfristige Investitionen erschweren.

Besonderheiten bei verschiedenen Börsenmodellen

Je nach Unternehmenssituation und -zielen gibt es verschiedene Varianten des Börsengangs:

Bei einem klassischen IPO werden sowohl neue Aktien ausgegeben als auch Anteile von Altaktionären verkauft. Das Unternehmen erhält frisches Kapital, und die bisherigen Eigentümer können teilweise aussteigen.

Ein reiner Börsengang neuer Aktien wird als Kapitalerhöhung bezeichnet. Hier fließt der gesamte Erlös in die Unternehmenskasse, kein Altaktionär steigt aus.

Beim sogenannten Direct Listing verzichtet das Unternehmen auf die Ausgabe neuer Aktien. Stattdessen werden nur bestehende Aktien zum Handel zugelassen. Diese Variante wurde in jüngerer Zeit von Unternehmen wie Spotify oder Slack gewählt.

Eine weitere Alternative ist der Börsenmantel oder SPAC (Special Purpose Acquisition Company). Hierbei fusioniert ein privates Unternehmen mit einer bereits börsennotierten Gesellschaft und wird so quasi durch die Hintertür börsennotiert.

Nach dem Börsengang

Mit dem ersten Handelstag beginnt für das Unternehmen eine neue Zeitrechnung. Die erhöhte Aufmerksamkeit und die vierteljährliche Taktvorgabe der Berichtssaison verändern die Unternehmenskultur. Plötzlich sitzen Analysten und Fondsmanager mit am Tisch, deren Meinung den Aktienkurs beeinflussen kann.

In den ersten Monaten nach dem Börsengang gilt eine sogenannte Lock-up-Periode. Während dieser Zeit dürfen die Altaktionäre keine weiteren Anteile verkaufen, um den Kurs zu stabilisieren. Danach zeigt sich oft, wie stark das langfristige Interesse der Gründer und Frühinvestoren am Unternehmen wirklich ist.

Für das Management beginnt eine Gratwanderung zwischen transparenter Kommunikation und strategischer Zurückhaltung. Jede Gewinnwarnung, jeder Strategiewechsel wird am Kapitalmarkt intensiv diskutiert – und schlägt sich unmittelbar im Aktienkurs nieder. Aus dem einstigen Kapitän wird quasi ein öffentlicher Steuermann, dessen Kursänderungen von tausenden Mitseglern kommentiert werden.