Business Valuation
Business Valuation – zu Deutsch Unternehmensbewertung – ist die Kunst und Wissenschaft, den wirtschaftlichen Wert eines Unternehmens zu ermitteln. Sie ist weit mehr als das bloße Zusammenzählen von Vermögenswerten und ähnelt eher dem Schätzen eines Diamanten: Man betrachtet ihn aus verschiedenen Blickwinkeln, prüft seine Reinheit, seinen Schliff und seine Größe, um seinen wahren Wert zu erfassen.
So verhält es sich auch mit Unternehmen. Je nach Anlass, Branche und individueller Situation kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz, die zu erstaunlich verschiedenen Ergebnissen führen können.
Anlässe für Unternehmensbewertungen
Eine Unternehmensbewertung wird aus den unterschiedlichsten Gründen durchgeführt. Der häufigste Anlass ist natürlich der Unternehmensverkauf. Sowohl Käufer als auch Verkäufer wollen wissen, was das Unternehmen wert ist, um auf dieser Basis zu verhandeln. Doch das ist längst nicht der einzige Grund.
Bei Nachfolgeregelungen in Familienunternehmen muss der Wert ermittelt werden, um Pflichtteilsansprüche weichender Erben zu berechnen. Steigt ein Gesellschafter aus oder tritt ein neuer ein, bildet die Bewertung die Grundlage für den Abfindungs- oder Eintrittspreis.
Auch für steuerliche Zwecke sind Bewertungen unerlässlich, etwa bei der Erbschaftsteuer oder der Schenkungsteuer. Banken verlangen für größere Kredite oft eine Unternehmensbewertung als Teil ihrer Risikoanalyse. Und nicht zuletzt spielt der Unternehmenswert eine wichtige Rolle bei der Bilanzierung, insbesondere wenn es um Firmenwerte nach Übernahmen geht.
Der Bewertungsanlass beeinflusst übrigens oft die Methodik. Ein Wert für steuerliche Zwecke wird anders ermittelt als ein Verkaufspreis, und eine Liquidationsbewertung folgt anderen Regeln als eine Going-Concern-Bewertung.
Die gängigsten Bewertungsmethoden
Für die Unternehmensbewertung haben sich verschiedene Verfahren etabliert, die jeweils eigene Stärken und Schwächen haben. Die wichtigsten sind:
- Ertragswertverfahren: Hier wird der Wert aus den zukünftig erwarteten Erträgen abgeleitet. Nach dem Motto “Was künftig erwirtschaftet wird, bestimmt den heutigen Wert” werden prognostizierte Gewinne oder Cashflows diskontiert.
- Discounted-Cashflow-Methode (DCF): Eine Variante des Ertragswertverfahrens, die besonders in der internationalen Praxis dominiert. Sie basiert auf frei verfügbaren Cashflows.
- Multiplikatorverfahren: Hierbei werden Kennzahlen wie EBIT oder Umsatz mit branchenüblichen Faktoren multipliziert. Einfach, schnell, aber weniger individuell.
- Substanzwertverfahren: Der Wert ergibt sich aus dem Vermögen abzüglich Schulden. Besonders relevant bei anlageintensiven Unternehmen.
- Liquidationswertmethode: Was wäre bei einer Zerschlagung und Einzelveräußerung zu erzielen? Der ultimative Mindestwert eines Unternehmens.
In der Praxis kombiniert man häufig mehrere dieser Methoden, um ein ausgewogenes Bild zu erhalten. Das Ertragswertverfahren und die DCF-Methode dominieren dabei zunehmend, da sie die Zukunftsperspektiven eines Unternehmens am besten abbilden.
Einflussfaktoren auf den Unternehmenswert
Der Wert eines Unternehmens wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst, die weit über die nackten Zahlen hinausgehen. Ein tiefes Verständnis dieser Faktoren ist entscheidend für eine realistische Bewertung.
Die Ertragskraft steht naturgemäß im Mittelpunkt. Nachhaltige, stabile Gewinne sind Gold wert, während volatile oder einmalige Erträge mit Abschlägen versehen werden. Auch das Wachstumspotenzial spielt eine zentrale Rolle – ein Unternehmen in einem Zukunftsmarkt wird höher bewertet als eines in einer schrumpfenden Branche.
Die Abhängigkeit von Schlüsselpersonen kann den Wert erheblich mindern. Wenn der Erfolg des Unternehmens maßgeblich vom Gründer abhängt, der ausscheiden will, ist das ein Risikofaktor. Gleiches gilt für die Kundenstruktur: Ein breiter Kundenstamm ist wertvoller als die Abhängigkeit von wenigen Großkunden.
Immaterielle Werte wie Marken, Patente oder einzigartige Technologien steigern den Unternehmenswert deutlich. Auch ein gut eingespieltes Team, effiziente Prozesse und eine solide Unternehmenskultur fließen positiv in die Bewertung ein – selbst wenn sie in keiner Bilanz auftauchen.
Nicht zuletzt beeinflusst die allgemeine Marktlage den Wert. In Zeiten niedriger Zinsen und hoher Liquidität werden tendenziell höhere Preise gezahlt als in Krisenzeiten. Auch Branchentrends und die Verfügbarkeit von Übernahmekandidaten spielen eine Rolle.
Herausforderungen bei der Bewertung
Trotz ausgefeilter Methoden bleibt die Unternehmensbewertung eine Gratwanderung zwischen Wissenschaft und Bauchgefühl. Besonders schwierig wird es bei jungen Unternehmen ohne Erfolgshistorie oder bei Firmen in volatilen Branchen. Wie bewertet man ein Start-up, das noch Verluste schreibt, aber exponentielles Wachstum verspricht?
Auch die Prognose zukünftiger Erträge ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Je weiter der Blick in die Zukunft reicht, desto spekulativer wird die Bewertung. Hier liegt die Kunst darin, plausible Annahmen zu treffen und Szenarien durchzuspielen.
Die Ermittlung eines angemessenen Kapitalisierungszinssatzes stellt eine weitere Herausforderung dar. In diesen Zinssatz fließen Faktoren wie das allgemeine Zinsniveau, Risikoprämien und individuelle Risikozuschläge ein. Kleine Änderungen am Zinssatz können den Unternehmenswert dramatisch beeinflussen.
Nicht zuletzt spielen psychologische Faktoren eine Rolle. Verkäufer neigen dazu, ihr Lebenswerk zu überschätzen, während Käufer eher Risiken in den Vordergrund stellen. Eine professionelle Bewertung kann diese subjektiven Verzerrungen ausgleichen und eine objektive Diskussionsgrundlage schaffen.
Praktische Tipps für realistische Bewertungen
Wer eine Unternehmensbewertung durchführen oder beurteilen muss, sollte einige Grundregeln beachten. Zunächst ist Transparenz entscheidend: Je offener die Daten und Annahmen kommuniziert werden, desto belastbarer ist das Ergebnis. Eine Bewertung ist kein Geheimrezept, sondern ein nachvollziehbarer Prozess.
Verschiedene Szenarien durchzuspielen ist klüger als eine Punktlandung anzustreben. Best Case, Base Case und Worst Case liefern einen Wertekorridor, der die Realität besser abbildet als eine scheinbar präzise Zahl.
Besonders wichtig: Die Plausibilität der Annahmen regelmäßig hinterfragen. Sind die prognostizierten Wachstumsraten realistisch? Entsprechen die Margenerwartungen der Branchenentwicklung? Kritisches Denken ist der beste Schutz vor überzogenen Bewertungen.
Schließlich sollte man nie vergessen, dass jede Bewertung eine Momentaufnahme ist. Märkte ändern sich, Strategien entwickeln sich weiter, und was heute wertvoll erscheint, kann morgen überholt sein. Eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung gehört daher zum professionellen Bewertungsprozess dazu.