Qualifizierte Mehrheit

Wer mal im Vereinsvorstand war, kennt das: Für die Satzungsänderung reicht nicht einfach die Mehrheit, sondern man braucht zwei Drittel der Stimmen. Nervig? Ja. Aber sinnvoll. Das gleiche Prinzip findet sich überall – von der Schulsprecherwahl bis zur EU-Politik.

Von wegen “Mehrheit ist Mehrheit”

Stellen Sie sich vor, drei Freunde wollen per Mehrheitsbeschluss Ihr Auto verkaufen. Absurd? Klar. Genau deshalb gibt es die qualifizierte Mehrheit. Sie schützt vor übereilten Entscheidungen und Machtmissbrauch. Das Konzept ist uralt – die alten Griechen nutzten es schon für wichtige Beschlüsse. Heute begegnet es uns ständig, ohne dass wir groß darüber nachdenken.

Das EU-Puzzle

In Brüssel treibt man’s auf die Spitze. Dort gilt die berühmt-berüchtigte “doppelte Mehrheit”. Klingt kompliziert? Ist es auch. Mindestens 15 Länder müssen zustimmen, und die müssen zusammen 65% der EU-Bevölkerung vertreten. Ein echtes Tetris-Spiel für Politiker. Wobei – eigentlich ist die Idee gar nicht so dumm: Die großen Länder können die kleinen nicht einfach überstimmen, und umgekehrt.

Bremsklotz oder Schutzschild?

Klar, manchmal fluchen selbst überzeugte Demokraten über die hohen Hürden. Wenn im Bundestag wieder mal eine wichtige Reform an der Zwei-Drittel-Mehrheit scheitert, zum Beispiel. Oder wenn der Betriebsrat neue Arbeitszeiten nicht durchsetzen kann, weil die qualifizierte Mehrheit fehlt.

Aber mal ehrlich: Wollen wir wirklich, dass grundlegende Spielregeln unserer Gesellschaft mit einer hauchdünnen 51%-Mehrheit geändert werden können? Wohl kaum. Die qualifizierte Mehrheit zwingt zum Dialog. Sie verhindert, dass die Mehrheit einfach drauflos entscheidet, ohne Rücksicht auf Verluste.

In Aktiengesellschaften sieht man, wie’s in der Praxis funktioniert: Große Entscheidungen – etwa eine Fusion oder die Auflösung der Firma – brauchen meist 75% der Stimmen. Das schützt die kleinen Aktionäre vor den Launen der Großen. Manchmal macht das die Sache schwerfällig, klar. Aber besser schwerfällig als kopflos.

Am Ende ist die qualifizierte Mehrheit wie ein Sicherheitsgurt: Im Alltag nervt er vielleicht, aber wenn’s drauf ankommt, sind wir froh, dass es ihn gibt. In einer Zeit, in der politische Gräben immer tiefer werden, ist dieser eingebaute Zwang zum Kompromiss vielleicht wichtiger denn je.