Zinssatz für die Unternehmensbewertung: Ermittlung und Berechnung

Zinssatz für die Unternehmensbewertung: Ermittlung und Berechnung
Zentrale Fragen des Verkaufsprozesses

Inhaltsverzeichnis

Philipp Degen Autor Unternehmer Radio Geschrieben von Philipp Degen Lesedauer: 11 Min.

Sie wollen also Ihre Firma mit einem Ertragswertverfahren oder einer Discounted Cash Flow Methode bewerten und fragen sich nun, wo Sie bei der Anlage des richtigen Zinssatzes vorgehen bzw. wie Sie ihn ermitteln können?

Damit Sie also beim Zinssatz nicht völlig falsch liegen, sprechen wir erst einmal kurz darüber, dass es in der Unternehmensbewertung gar nicht nur den einen Diskontierungsfaktor gibt, sondern mehrere. Genau genommen wird nämlich bei fast jeder Methode ein anderer Zinssatz verwendet.

Danach widmen wir uns aber dem am häufigsten genutzten Modell und sehen uns an, aus welchen Bestandteilen sich ein Basiszinssatz zusammensetzt und wie dieser ermittelt werden könnte. Risiko ist ein wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang.

Anschließend schauen wir uns dann noch einmal an, was uns Multiplikatoren über Zinssätze sagen können, wo wir die Unternehmensbewertung mit Multiples ganz kurz anreißen.

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Verschiedene Zinssätze

Dass verschiedene Basiszinssätze zum Diskontieren verwendet werden, hängt zum einen davon ab, welchen Wert man überhaupt durch die Rechnung ermitteln will – den Wert des gesamten Unternehmens (dazu sagen wir Unternehmenswert) oder ‘nur’ den Wert des Eigenkapitals (dazu sagen wir Eigenkapitalwert oder neudeutsch Shareholder-Value).

Die einen Verfahren wählen das erste (das sind die Bruttoverfahren, im Englischen sind es die Methoden, die dem entity Approach folgen), andere Verfahren hingegen das zweite (Nettoverfahren; equity Approach).

Hier zur besseren Übersicht eine kleine Tabelle:

Bruttoverfahren
(ermitteln den Unternehmenswert)
Nettoverfahren
(ermitteln den Eigenkapitalwert)
  • Weighted Average Cost of Capital Verfahren (WACC):
    • Free Cash Flow Verfahren (FCF)
    • Total Cash Flow Verfahren (TCF)
  • Adjusted Present Value Verfahren (APV)
  • Ertragswertverfahren (alle)
  • Cash Flow to Equity Verfahren (CFE)

 

 

 

Daraus resultiert schon der erste große Unterschied: Wenn wir aus den zukünftigen Zahlungsströmen “nur” den Wert des Eigenkapitals berechnen, dann werden wir natürlich auch “nur” die Zahlungsströme in die Berechnung einbeziehen, die dem Eigenkapitalgeber zufließen. Wenn wir aber eben diese Zahlungsströme abzinsen, dann brauchen wir auch nur den Verzinsungsanspruch des Eigenkapitalgebers berücksichtigen und nicht den der Bank – deren Zahlungsströme sind ja gerade in der Berechnung nicht mit dabei.

Berechnen wir hingegen den Unternehmenswert, und ist die Firma nicht nur Eigenkapital-finanziert, dann stecken in den Zahlungsströmen, die abgezinst werden, die Zahlungen, die später sowohl an die Eigenkapital- als auch an die Fremdkapital-Geber fließen. Daher müssen wir auch die Verzinsungsansprüche beider Gruppen beim Diskontieren berücksichtigen.

D.h. nichts anderes, als dass bei der Zukunftserfolgsbewertung Zähler und Nenner inhaltlich zusammenpassen müssen (Äquivalenzprinzip). Also:

Bruttoverfahren
(ermitteln den Unternehmenswert)
Nettoverfahren
(ermitteln den Eigenkapitalwert)

Zahlungsströme an EK und FK

Gemischter EK/FK-Zinssatz

Zahlungsströme an EK

EK-Zinssatz

(EK = Eigenkapital, FK = Fremdkapital)

Zusammensetzung des Zinssatzes

Neben der Frage, ob die Verzinsung des Fremdkapitals bei der Ermittlung des Basiszinssatzes einbezogen werden muss oder nicht, spielt die Frage nach der Berücksichtigung des Risikos eine grundlegende Rolle.

Wo steckt das Risiko?

Schauen wir uns noch einmal das vereinfachte Modell der Zukunftserfolgsbewertung an: der Unternehmenswert (oder Eigenkapitalwert) ergibt sich aus der ewigen Rente der zukünftigen Überschüsse (im Zähler), die mithilfe des Diskontierungssatzes (im Nenner) bestimmt wird.

Unternehmenswert = zukünftige Zahlungsströme / Zinssatz

Nun gibt es praktisch zwei Möglichkeiten, wo wir das Risiko berücksichtigen:

  1. Wir nutzen oben im Zähler die ganz normal geplanten Zahlungsströme. Weil die aber nicht sicher sind, müssen wir das Risiko unten im Nenner, also im Zinssatz berücksichtigen.
  2. Wir nutzen oben im Zähler sichere Zahlungsströme (sog. Sicherheitsäquivalente). Das Risiko wurde also bereits im Zähler berücksichtigt, konsequenterweise darf es somit im Nenner NICHT eingerechnet werden.

Die unter 2. aufgeführte Variante der Rechnung mit Sicherheitsäquivalenten ist in der Praxis sehr unüblich. Alle oben genannten Verfahren werden regelmäßig mit der Methode 1. umgesetzt. Im Folgenden beziehe ich mich daher auf Diskontierungssätze, die für unsichere Zahlungsströme ermittelt werden. Und dazu sehen wir uns die zwei Grundkonzepte an, die der Diskontierung zugrunde liegen.

Grundkonzept 1: Der Verzicht definiert den Anspruch

Die Grundlage der Idee des Barwerts ist die Idee der Opportunitätskosten. Nach dieser Basis sind Kosten nicht nur das, was man ausgegeben hat, sondern auch das, was man nicht bekommen hat. Wenn ich einen Euro in die Firma investiere, dann kann ich mit diesem Euro nichts anderes mehr kaufen, mir entgeht also der Nutzen der anderen Verwendung. Wenn Ihnen das Beispiel mit einem Euro zu klein ist: Nehmen Sie 10.000 € – in die Firma stecken oder mit der Familie in den Urlaub fahren – was würden Sie jetzt lieber machen?

Vielleicht würden Sie lieber in Urlaub fahren, stecken das Geld aber doch in die Firma. Sie wissen also, was Ihnen entgeht. Das sind Opportunitätskosten.

Und in der Unternehmensbewertung machen wir es genauso. Wir überlegen uns, wie viel Verzinsung wir bei gleichem Risiko woanders für unseren Euro bekommen würden. Da wir dort ja nichts investieren, stellt der Verzicht auf die beste Anlagealternative unsere Opportunitätskosten dar. Und die wollen wir mindestens ersetzt haben – das ist dann unser Verzinsungsanspruch.

Wichtig hierbei ist der kleine Zusatz “bei gleichem Risiko“. Darauf gehen wir gleich noch näher ein.

Grundkonzept 2: Mach’ aus einem großen unlösbaren Problem drei kleine lösbare

Nachdem jetzt klar ist, dass wir so gut gestellt werden wollen, wie wir es bei der besten Alternative wären, stellt sich die aber immer noch die Frage, wo ich diesen Zinssatz herbekommen kann. Und hier lautet die Antwort leider: nirgendwo.

Das liegt einfach daran, dass es zu viele Größen gibt, die auf den Zinssatz einwirken. Und um jetzt nicht lange rumzujammern – wie kommen wir vorwärts? Ein beliebtes Konzept, um Lösungen für scheinbar unlösbare Probleme zu finden, ist es, dass Problem in mehrere kleine Probleme zu zerlegen. Genauso machen wir es beim Basiszinssatz, wir zerlegen ihn in verschiedene Komponenten.

Risikoloser Zinssatz

Die erste Zerlegung betrifft das Risiko: Wir zerlegen den Zinssatz also in einen risikolosen Basiszinssatz und eine Risikoprämie.

Diskontierungssatz = Risikoloser Zins + Risikoprämie

Wir überlegen, was wir für eine Anlagemöglichkeit für einen Diskontierungssatz bekommen könnten, die absolut sicher ist, also niemals ausfallen wird. Früher dachten wir dabei immer an Staatsanleihen, aber seit Griechenland sind wir nicht mehr so sicher. 

Dadurch haben wir das Thema abgehakt und können uns nun nur noch der Risikoprämie widmen. Das hängt natürlich davon ab, wer welches Risiko trägt, und das ist bei Eigen- und Fremdkapitalgebern unterschiedlich.

Daher folgt jetzt die zweite Zerlegung: die in Eigen- und Fremdkapitalverzinsung. Natürlich müssen wir hier darauf achten, wie viel wir von jeder Kapitalart verzinsen müssen, deshalb gewichten wir nach ihrem Anteil. Es ergibt sich ein gewogener Kapitalkostensatz, der Weigthed Average Cost of Capital – WACC – genannt wird und der sowohl beim FCF- als auch beim TCF-Verfahren angewendet wird:

Kapitalkosten = Kosten des Eigenkapitals + Kosten des Fremdkapitals

daher:

WACC = EKMW/UW * EKK + FKMW/UW * FKK

Dabei steht EKMW für den Marktwert des Eigenkapitals und FKMW für den Marktwert des Fremdkapitals. EKMW/UW ist also quasi die Eigenkapitalquote, aber nicht die bilanzielle, sondern die zu den Marktwerten. EKK steht für den Eigenkapitalkostensatz (also den Verzinsungsanspruch der Eigenkapitalgeber, der Preis für den Verzicht auf den Urlaub von oben)  und FKK für den Zinssatz, den Sie für Fremdkapital bezahlen müssten.

Fremdkapitalzinsen

Die Fremdkapitalzinsen sind meist leichter zu ermitteln, deshalb beginnen wir hier. Häufig wird der Zinssatz genutzt, den man aktuell seiner Bank für Kredite zahlen muss. Das ist eigentlich nicht ganz korrekt, denn es geht ja um die Zukunft. D.h. wir sollten eigentlich den zukünftigen Basiszinssatz nehmen, den wir aus unserem Rating, den Zinsstrukturdaten und der Zinsstrukturkurve ermitteln könnten. Aber der aktuelle Zinssatz tut es im Mittelstand in den allermeisten Fällen auch.

Was wir aber auf jeden Fall noch beachten sollten, ist, dass in Deutschland Fremdkapital einen entscheidenden Vorteil gegenüber Eigenkapital hat: Die Zinsen dafür sind steuerlich absetzbar, die Dividende hingegen nicht. Mit anderen Worten: Für jeden Euro, den wir Zinsen an die Bank zahlen, zahlen wir 0,30 Euro nicht ans Finanzamt (bei 30 % Steuersatz auf Gewinne). Netto haben wir also nur 70 % Kosten. Und das rechnen wir in den Basiszins für die Diskontierung mit ein:

FKK = (1 – Steuersatz) * Zinssatz

Bekommt eine GmbH also für 4% Kredite bei Ihrer Bank, hat sie Fremdkapitalkosten in Höhe von ca.

FKK = (1 – 0,3) * 4% = 0,7 * 4% = 2,8%

Die 30% Steuersatz hauen in etwa für die meisten Kapitalgesellschaften in Deutschland hin (15% Körperschaftsteuer, 7,5% Solidaritätszuschlag auf die Körperschaftsteuer, und ca. 14-15% Gewerbesteuer). Bei Personengesellschaften tritt der persönliche Steuersatz an die Stelle der Körperschaftsteuer.

Eigenkapitalverzinsung

Wesentlich schwieriger ist die Ermittlung des Eigenkapitalkostensatzes. Opportunitätskosten – schön und gut, Konzept verstanden, aber wie soll man da vorgehen?

Das ist tatsächlich auch der Knackpunkt und der große Unterschied zwischen dem deutschen Ertragswertverfahren und den anglo-amerikanischen DCF-Methoden. Fangen wir mal mit letzteren an.

Die DCF-Methoden ermitteln alle Größen kapitalmarktorientiert, also auch den Eigenkapitalkostensatz. Das geht dort auch viel besser, weil einfach viel mehr Unternehmen an der Börse notiert sind. Nach wie vor wird dafür das Capital Asset Pricing Model (CAPM) verwendet, das auf der Portfoliotheorie von Markowitz aufbaut. Die Bestimmung basiert auf der Erkenntnis, dass Risiko und Rendite am Markt in einer engen Beziehung zueinander stehen. Dies lässt sich im folgenden Diagramm durch die sog. Wertpapierlinie zum Ausdruck bringen:

Zinssatz-Unternehmensbewertung_Rendite_Verzinsung-Diskontierungssatz

Je mehr Risiko einem Wertpapier innewohnt, desto höher muss die Verzinsung sein. Sonst kauft es keiner, die Nachfrage geht runter, der Kurs geht runter und damit die Verzinsung (relativ zum Kurs) rauf.

Der risikofreie Zinssatz (von vorhin) findet sich auch wieder, Sie sehen ihn auf der y-Achse. Selbst, wenn das Risiko null ist (Schnittpunkt der x- und der y-Achse), gibt es noch eine Verzinsung. Die Differenz zwischen der Rendite des gesamten Marktes und dem risikofreien Zinssatz ist demnach das, was insgesamt für das Risiko bezahlt wird – die Marktrisikoprämie. Für die einzelne Firma muss man nun nur noch das eigene Risiko bestimmen und es in Relation zum Marktrisiko setzen, dadurch erhält man den sog. Betafaktor.

Der Eigenkapitalkostensatz ergibt sich dann:

EKK = Risikofreier Zinssatz + Beta * Marktrisikoprämie

Hierzu ein Beispiel: Gehen wir mal von einer langfristig durchschnittlichen Marktrendite von 7 % und von einem langfristigen risikofreien Zinssatz von 2 % aus, dann ergibt sich eine Marktrisikoprämie von 5 %:

MRP = Marktrendite – Risikofreier Zinssatz = 7% – 2% = 5%

Wenn die Firma, die wir gerade bewerten, doppelt so riskant ist wie der Gesamtmarkt (wenn der DAX 10 % heruntergeht, verliert unsere Aktie 20 %, wenn der DAX um 5 % rauf geht, steigt unsere Aktie um 10 %), dann hätten wir ein Beta von 2 und somit einen Eigenkapitalkostensatz von 12 %:

EKK = 2 % + 2 * 5 % = 12 %

Für Firmen, die selbst nicht börsennotiert sind, kann man das CAPM auch anwenden, die Ermittlung kann dann nur nicht so direkt erfolgen. Statt des eigenen Betas muss für eine Gruppe von vergleichbaren, börsennotierten Unternehmen deren durchschnittliches Beta ermittelt und auf die eigene Firma umgerechnet werden. In dem Beitrag über Multiples habe ich schon einmal über diese Vergleichsgruppen gesprochen.

Zusammenführung zum WACC

Um Eigen- und Fremdkapitalkosten zusammenzubringen, benötigen wir nun noch die Eigenkapitalquote bezogen auf den Unternehmenswert. Auf den Exkurs zu dieser Problematik möchte ich gerne an dieser Stelle verzichten und nur feststellen, dass wir eigentlich ein Zirkelproblem haben. Wir benötigen ja den Basiszinssatz , um den Unternehmenswert zu berechnen, brauchen aber wiederum den Unternehmenswert, um damit die Eigenkapitalgewichtung im WACC und damit den Zinssatz zu bestimmen. Weil die Gewichtung ein entscheidender Faktor ist, würde ich darauf aber gerne in einem späteren Blogbeitrag eingehen.

Nehmen wir einfach an, wir würden unsere EK-Quote zu Marktwerten kennen und sie läge bei 60 %, dann würde sich der Zinssatz wie folgt berechnen:

WACC = EKMW/UW * EKK + FKMW/UW * FKK

Werte von oben einsetzen:

WACC = 60 % * 12 % + 40 % * 2,8 %

Und ausrechnen:

WACC = 7,20 % + 1,12 % = 8,32 %

Damit haben wir einen Wert möglichst objektiv ermittelt, denn er kann von einem Dritten nachvollzogen werden. In Deutschland wird aber speziell im Mittelstand häufig nicht auf das CAPM zurückgegriffen, da es aufgrund der mangelnden Börsennotierung nicht anwendbar wäre. Das ist so natürlich falsch, über eine Peer Group wäre es natürlich möglich. Häufig handelt es sich bei dieser Behauptung einfach um den Vorwand des Bewerters, das Verfahren aus Unkenntnis oder Arbeitsunlust nicht durchführen zu können oder zu wollen.

Woher stammen dann aber die Zinssätze in der Bewertung?

Häufig werden Sie leider einfach geschätzt. Damit handelt es sich dabei leider um die schlechteste aller Alternativen, denn niemand kann eine Schätzung nachvollziehen.

Wie könnte man sich diesem Risikobegriff also nähern? Eine Idee wäre, ihn nochmals herunterzubrechen. Das Risiko beschreibt ja letztendlich die Gefahr, dass die Firma pleite geht und der gezahlte Kaufpreis verloren ist. Das lässt sich vielleicht am besten an einem Beispiel erklären:

Zinssatz-Unternehmensbewertung-Diskontierungssatz

Sehen wir uns eine Firma an, bei der wir denken, dass sie die nächsten 5 Jahre 100 T€ Überschuss erwirtschaften kann. Würden wir absolut sicher sein, dass es so kommt, könnten wir lediglich mit dem risikofreien Zinssatz diskontieren und würden dann auf einen Unternehmenswert von 471 T€ kommen (nur für die 5 Jahre, ohne ewige Rente).

Nun nehmen wir aber an, dass in jedem Jahr eine 10%ige Insolvenzgefahr besteht. D.h., dass die Firma z.B. das fünfte Jahr überhaupt erreicht, liegt bei 65,6 % (abzulesen in Jahr 4). Multiplizieren wir nun diese Wahrscheinlichkeit mit dem möglichen Jahresüberschuss und zinsen diese Zahlungsreihe mit dem risikofreien Diskontierungssatz ab, kommt ein viel niedrigerer Wert, nämlich nur 349 T€ heraus.

Da das einzige, was wir gerade verändert haben, das Risiko war, muss die Differenz im Barwert auf diese Risikoveränderung zurückzuführen sein. Wenn wir jetzt noch einmal die erste Zahlungsreihe (mit den 100 TEUR jedes Jahr) abzinsen und die Excelfunktion ‘Zielwertsuche’ den Basiszinssatz so lange manipulieren lassen, bis auch hier die 349 T€ herauskommen, dann sehen wir, wie sich das Risiko auf den Zinssatz ausgewirkt hat: erst, wenn wir mit 13,33 % abzinsen, kommen wir auf den gleichen Wert. D.h., dass das 10%ige Insolvenzrisiko einer Risikoprämie von 11,33 % entspricht.

Der Zinssatz beim Ertragswertverfahren

Da es sich bei dem Ertragswertverfahren um ein Nettoverfahren handelt, beziehen wir keine Fremdkapitalkosten in den Diskontierungssatz mit ein. Die Bestimmung des Eigenkapitalkostensatzes sollte sich jedoch wie oben dargestellt an den gleichen Überlegungen der Opportunität ausrichten.

Eine Sonderrolle nimmt das steuerliche Ertragswertverfahren ein. Hier wurde durch die Erbschaftssteuerreform eine Änderung der Berechnungsmethodik festgelegt. Wurde bisher auch zu einem risikolosen Zinssatz, der jährlich von der Bundesbank ermittelt wurde, eine feste Risikoprämie hinzugerechnet (die gleiche für alle Unternehmen in Deutschland!!!), so wurde jetzt einfach ein fester Multiplikator von 13,75 festgelegt.

Zusammenhang mit Multiplikatoren

Was hat jetzt aber ein Multiplikator mit dem Diskontierungssatz zu tun? Die Antwort könnte platt lauten: Mathematik.

Rein rechnerisch ist ja das gleiche, ob ich durch X teile oder mit dem Kehrwert 1/X multipliziere. Ein Multiplikator kann deshalb – mit Einschränkungen – als Kehrwert des Zinssatzes betrachtet werden, mit dem wir eine ewige Rente ermitteln. Bei 13,75 wäre das also ein Zinssatz von 100 %/13,75 = 7,27 %

Wie schon im Beitrag zum Ertragswertverfahren ausgeführt, ist das ein Wert, der aber für mittelständische Unternehmen vollkommen unrealistisch ist. Gehen wir doch den anderen Weg und schauen, welche Multiples üblich sind. Sie bewegen sich häufig zwischen 4 und 6. Damit würden wir also bei Zinssätzen zwischen 100 %/4 = 25 % und 100 %/6 = 16,7 % landen.

Wenn Sie jetzt korrekterweise einwenden, dass wir bei der ewigen Rente ja auch noch einen Wachstumsabschlag von 1 bis 2 % berücksichtigen, dann ziehen wir ihn einfach ab:

Zinssatz-Unternehmensbewertung_Wachstumsabschlag_Diskontierungssatz

Fazit

Der Artikel bietet eine fundierte Analyse der Faktoren, die die Bewertung im Rahmen von Unternehmensverkäufen beeinflussen. Insbesondere war es hilfreich, dass der Titel die Rolle der Risikoprämien hervorhebt. Bei der Entwicklung einer Anlagestrategie für den Kauf eines Unternehmens hat mein Wirtschaftsprüfer ähnliche Punkte angesprochen und die Bedeutung dieser Aspekte bestätigt.

Man darf auch nicht vergessen, dass sich die meisten Multiples aus vergangenen Verhandlungen ergeben, somit also auch noch andere Einflussfaktoren eine Rolle spielen. Hier sind im Mittelstand vor allem drei Faktoren zu nennen:

  1. Die Inhaberabhängigkeit lässt das Risiko extrem ansteigen (z.B. geht die Firma 1 Jahr nach dem Kauf pleite, weil die alten Kunden nicht zum neuen Chef kommen und der Umsatz einbricht);
  2. Ein Verkauf unter Druck findet statt (z.B. weil der Übergeber mit 75 einfach nicht mehr kann und aus gesundheitlichen Gründen abgeben muss), und
  3. Der Nachfolgermangel führt dazu, dass sich die Nachfolger der Situation bewusst sind und den Preis stark drücken können.

Es lässt sich aber durchaus erkennen, dass – gehen wir mal von einem risikofreien Zinssatz von optimistischen 2% aus – die Risikoprämien im Bereich zwischen 10% und 30% liegen dürften. Damit haben Sie vielleicht eine pragmatische Messlatte an der Hand, wenn Sie den Zinssatz für Ihre Unternehmensbewertungen ermitteln oder mit Ihrem Bewerter diskutieren wollen.

Haben Sie Anmerkungen oder Hinweise? Hat Ihnen der Artikel etwas geholfen? Ich freue mich über Ihr Feedback! Es würde mich auch sehr freuen, wenn Sie mir von Ihren Erfahrungen mit Bewertern berichten. Was hat Ihnen z.B. Ihr Steuerberater zu diesem Thema gesagt? Konnte er auf Ihre Fragen antworten?

Über den Autor
Philipp Degen Autor Unternehmer Radio
Philipp Degen

Gründer Unternehmer Radio

Philipp Degen ist ein erfahrener Unternehmer und Gründer eines erfolgreichen Online-Portals, das sich auf die Generierung von Mandaten für Unternehmensverkäufer spezialisiert hat. Dank seiner internationalen Ausbildung im Bereich Wirtschaft, die ihn nach Deutschland, Australien und Mexiko geführt hat, verfügt er über ein umfassendes Verständnis der globalen Märkte und Geschäftspraktiken. Mit seiner breiten Expertise und seinem interkulturellen Know-how versteht er die Anforderungen seiner Kunden aus verschiedenen Branchen und Ländern. Seine Fähigkeiten, innovative Lösungen zu entwickeln und komplexe Transaktionen zu strukturieren, haben ihm einen hervorragenden Ruf als vertrauenswürdiger Partner im Bereich Unternehmensverkäufe eingebracht.

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